9.08 Uhr Sakral / Vokal im Radio SRF 2, eine Tasse Tee und auf meinem Schoss liegt die NZZ. Wenn diese drei Dinge zusammenkommen, dann ist Sonntag. Ein Ruhetag nach einer Woche voll mit Terminen, Gesprächen, Arbeit. In vielen Kulturen gibt es diesen Tag zum Innehalten und Ausruhen, ganz verlässlich, Woche für Woche. Und wir freuen uns darauf. Genau wie wir uns auch auf andere immer wiederkehrende Momente freuen, wie Geburtstage, Feiertage, Jahresfeste. Und diese Anlässe sind ritualisiert. Zum Geburtstag gibt es einen Kuchen, Kerzen, Geschenke, zu Weihnachten gehören ein Tannenbaum, Lieder und der Geruch von Weihnachtsgebäck. Rituale sind ein wichtiger Bestandteil unseres Lebens. Sie geben Struktur, Halt und Orientierung. Ganz deutlich wird das bei Kindern, die zum Beispiel ohne ihr immer wiederkehrendes Schlafritual nicht einschlafen können. Aber auch wir Erwachsene sind auf Rituale angewiesen. Wir brauchen geregelte Abläufe, denn sonst müssten wir jeden Tag aufs Neue den Alltag erfinden. Neben diesem Alltag sind da aber auch noch die grossen Momente, wie Hochzeiten, auch solche Anlässe sind in unserem Leben mehr oder weniger ritualisiert, das Einlaufen des Paares, das Ja-Wort, der Ringtausch, der Kuss. Im Zentrum steht das Paar, aber die Gäste sind Zeugen dieser Verbindung. So finden denn auch viele Rituale in einem sozialen Kontext statt und spiegeln so wieder, dass wir Menschen soziale Wesen sind, einer Familie, einem Freundeskreis angehören und von diesen Menschen getragen werden möchten. Besonders wichtig wird diese Gemeinschaft, wenn wir uns von einem geliebten Menschen verabschieden müssen. Gerade dann kommt Verwandten und Freunden eine besondere Bedeutung zu, denn die Trauer des Einzelnen muss gehört und verstanden werden.
Niederberger (2012) weist auf die übergeordnete Bedeutung von Ritualen hin, demnach thematisieren Rituale bestimmte Lebensmomente, verdichten und beschleunigen diese. Sie helfen uns bei notwendigen Veränderungsprozessen, betonen Wendepunkte in unserer individuellen Biographie, aber auch in der Gesellschaft. Rituale finden an räumlichen, zeitlichen und sozialen Übergängen statt. Rituale wirken wie Katalysatoren, Anker und Schaltgetriebe unserer Lebensgestaltung.
In diesem Sinne gilt es die besonderen Lebensmomente, aber auch unseren Alltag durch Rituale zu strukturieren, zu betonen und vor allem auch zu feiern.
Literatur:
Niederberger, Lukas (2012): Rituale. Was uns Halt gibt. Freiburg, Br., Basel, Wien: Herder (Herder-Spektrum, Bd. 6508).